Engagement und Multilateralismus sind für europäische Diplomaten und Politiker zum Mantra geworden. Es gibt kaum ein Problem - so glauben sie -, das nicht durch Dialog zu lösen ist. Am 26. April unterzeichneten US-Außenministerin Madeleine Albright und fünf ehemalige europäische Außenminister einen Brief, in dem sie sich ablehnend gegenüber der Möglichkeit eines militärischen Schlages gegen den Iran äußern und stattdessen auf direkte Verhandlungen drängen. "Jedes europäische Mitglied unserer Gruppe hat sich in den letzten Monaten mit hochrangigen iranischen Vertretern getroffen und großes Interesse an einer breiten Diskussion mit den USA über Sicherheitsthemen angetroffen", schrieben sie.
Während Albright und ihre europäischen Kollegen ihren Wunsch erfüllt sahen, gibt es jedoch keine gefährlichere Ideologie, als die Annahme, dass Dialog immer gesund und angebracht sei. Oder dass Multilateralismus immer über Unilateralismus triumphiert - ohne Rücksicht auf den Inhalt. Ein ernst gemeintes europäisches Engagement begann im Jahr 1992 als Initiative Deutschlands. Berlin argumentierte, die Islamische Republik würde als Antwort auf Handel und Dialog moderater werden. Ali Akbar Hashemi Rafsandjani - der gleiche Pragmatiker, auf den europäische Führer nun ihre Hoffnungen setzen - ordnete persönlich Attentate in Wien und Berlin an. Lange bevor der Antagonismus zwischen Washington und Brüssel über den Irak-Krieg entstand, verstärkte Rafsandjani die iranischen Bemühungen, ein verdecktes Nuklearprogramm zu entwickeln.
Dennoch versuchten europäische Führer Teheran miteinzubeziehen. Der ehemalige EU-Außenkommissar Chris Patten argumentierte: "An der Wichtigkeit von Verhandlungen mit Iran besteht absolut kein Zweifel." Europäische Vertreter antworteten auf die misslungene deutsche Initiative schon bald mit verstärktem Handel. Im Jahr 2000 überstieg der bilaterale Handel zwischen Europa und der Islamischen Republik 12 Milliarden US-Dollar. Innerhalb der nächsten fünf Jahre hat sich der EU-Handel mit Iran verdreifacht. Anstatt iranische Reformer zu stärken, brachte sie die harte Währung der EU um.
Während der Amtszeit des Reformpräsidenten Mohammed Khatami attackierten von der Regierung ausgerüstete Bürgerwehren Studenten-Schlafsäle. Die Verfolgung von Juden, Christen und Bahaisten hat zugenommen. Die Zahl der verhängten Todesstrafen hat sich verdoppelt. Am 8. Juni 2002, drei Tage nachdem der Islamische Dschihad 17 Menschen in einem öffentlichen Bus in Israel getötet hatte, steigerte die iranische Regierung Zahlungen an die Gruppe um 70 Prozent. Die Menschenrechte wurden nicht gestärkt, aber die iranische Führung vom europäischen Geld davon überzeugt, dass sie mit Mord davonkommen können.
Die derzeitige Nuklearkrise ist das Produkt dieser misslungenen europäischen Bemühungen. Anstatt die harte Währung in Schulen, Spitäler und in die Zivilgesellschaft zu investieren, steckte die iranische Führung das Geld in ihr Waffenprogramm. Im März 2001 reiste Khatami nach Moskau, um einen sieben Milliarden Dollar Vertrag für Waffen und Atomreaktoren zu unterzeichen - als staatliche Bedienstete für die Zahlung ihrer Löhne auf die Straßen gingen. Iranische Labors für biologische Waffen sind mit schweizerischen, deutschen, italienischen und spanischen Geräten ausgerüstet.
Europäische Vertreter verhalten sich still, wenn Teheran etwa 200 Millionen Dollar pro Jahr für die libanesische Hisbollah budgetiert - auch wenn die Gruppe die UN-Resolution 1559 missachtet. Während dieser gesamten Periode haben iranische Vertreter ihre europäischen Gegenüber und internationale Inspektoren hinters Licht geführt und unverblümt belogen. Durch ihre Handlungen hätten die europäischen Führer die wahren Absichten der iranischen Führung erkennen sollen.
In der Theorie klingt Multilateralismus gut, aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Nicht alle Staaten meinen es ehrlich. Politiker und internationale Staaten können käuflich sein. Hunderttausende Ruander starben und die Vereinten Nationen - und ihr damaliger Chef der Peacekeeping-Einsätze, Kofi Annan, unternahmen nichts. Beim "Öl für Nahrungsmittel"-Programm der Vereinten Nationen wurden Milliarden abgezweigt und darum Luxusautos für UN-Beamte und ihre Firmen gekauft - Gelder, die für Babynahrung für irakische Kinder bestimmt waren. Milliarden europäischer Hilfe für Palästinenser wurden verschwendet, nicht aufgrund der israelischen Aktion, sondern aufgrund der palästinensischen Korruption. Noch keiner der europäischen Steuerprüfer hat bisher versucht, jene hunderten Millionen Dollar in Bankkonten oder Immobilien aufzuspüren, die Jassir Arafats in Paris ansässige Witwe Suha hat.
Damit Engagements effektiv sind, muss der Kern diplomatischen Missstands korrigiert werden. Anreize müssen das Verhalten verändern und nicht Unnachgiebigkeit fördern. Denn wenn auf jede Sackgasse zusätzliche Hilfe folgt, warum sollte man dann nicht eine endlose Kaskade an Krisen provozieren? Auch nachdem das iranische Regime die Anerkennung der Vereinigten Staaten und Milliarden an Hilfe und Investitionen bekam, hat Iran das Nuklearprogramm nicht aufgegeben. Multilateralismus sollte kein Synonym für Bestechung werden. Teheran sollte keineswegs dafür belohnt werden, dass es das Überwachungsabkommen des Atomwaffen-Sperrvertrags nicht ratifiziert hat. Teherans Missachtung sollte nicht europäischen und amerikanischen Steuerzahlern zur Last gelegt werden - genauso wenig wie Pjöngjangs Aufruf zu zusätzlicher Hilfe, um dann Nahrungsmittel für die nordkoreanische Armee zu beschaffen.
Diplomatie muss verantwortungsvoll sein. Diplomatie sollte keine Gelegenheiten schaffen, Verträge und Abkommen für finanzielle Gewinne fallen zu lassen oder in Demokratisierungs- und Menschenrechtsfragen ein Nachsehen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten zuzulassen. Es sollte um mehr gehen, als um Geschäftsmöglichkeiten für europäische und US-Firmen. Die jüngste europäischen und amerikanische Initiative bezüglich Iran wird vielleicht von Diplomaten in Brüssel, Berlin und Wien als Erfolg gefeiert, riskiert aber gleichzeitig ein Beispiel dafür zu werden, wie kurzfristige Diplomatie über langfristige Ziele triumphiert.
Michael Rubin ist Professor am American Enterprise Institute in Washington und Herausgeber des Middle East Quarterly (einer Publikation des Middle East Forum.)