Der Nahost-Konflikt hat in den Vereinigten Staaten einen bizarren Nebenkriegsschauplatz erhalten. Mehrere Eliteuniversitäten, darunter Georgetown, Columbia und Berkeley, werden dieser Tage von heftigen Auseinandersetzungen zwischen vermeintlichen Feinden und Freunden Israels erschüttert. Seit das in Philadelphia angesiedelte “Middle East Forum” unter www.campus-watch.org eine Liste vermeintlicher Antisemiten mit akademischen Würden ins Internet gestellt hat, sind die seit Monaten an mehreren Hochschulen schwelenden Spannungen zwischen proisraelischen und propalästinensischen Gruppen (F.A.Z. vom 7. Juni) neuerlich aufgeflammt. Während sich die zunächst acht Dozenten auf der Liste, denen ein gefährlicher Einfluß auf Studenten sowie Antiamerikanismus attestiert werden, einer Flut von Tausenden rassistischer, obszöner und bedrohlicher Anrufe, Faxe und E-Mails gegenübersehen, haben Bürgerrechtsgruppen die Aktion als denunziatorisch und hetzerisch verurteilt.
Beinahe hundert Professoren verschiedener Fachrichtungen, unter ihnen Juden und Nichtjuden, erklärten sich mit den Angeprangerten solidarisch und baten darum, auch ihre Namen auf die Liste zu setzen. Besonders die Anlage sogenannter Dossiers über Individuen und Institutionen sowie die Aufforderung, die Initiatoren von “Campus Watch” über weitere Verfehlungen der Genannten zu informieren, wurde als Anschlag auf die Meinungsfreiheit kritisiert. Die Literaturwissenschaftlerin Judith Butler aus Berkeley sprach von einer “Einschüchterungskampagne”. Der Leiter des “Middle East Forum”, Daniel Pipes, hingegen verteidigte das Unterfangen seiner Gruppe als notwendige Aufklärungsmaßnahme und nannte die Studiengänge über den Mittleren Osten eine Bastion der Engstirnigkeit, des “Extremismus und der Intoleranz”.
Der Streit um “Campus Watch” ist kein isoliertes Ereignis. Ende vergangener Woche erst hatte der Präsident der Universität Harvard, Lawrence Summers, seine Besorgnis über einen wachsenden Antisemitismus an amerikanischen Hochschulen geäußert und als Beispiel die studentischen Kampagnen für ein “disvestment”, also den Abzug von Geldern universitärer Fonds aus Israel, genannt. Unterdessen beginnen an diesem Montag an der kalifornischen Universität Berkeley die Anhörungen in den Disziplinarverfahren gegen mehrere Mitglieder einer propalästinensischen Gruppe, die im April nach der Besetzung eines Fakultätsgebäudes vorübergehend festgenommen worden waren. Der Sprecher dieser Gruppe findet sich auch, keine Überraschung, auf der Fahndungsliste von “Campus Watch”.